Änderung der Witterung in der Hauptwachstumsphase des Getreides – Auswirkungen auf den Fungizideinsatz
Dieter Strobel, Jochen Prochnow, Bernd Krieger
Aktuell blicken wir auf einen der wärmsten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnung zurück. Dies unterstreicht eindrücklich die Klimaveränderungen, denen unsere Generation ausgesetzt ist. Neben der globalen Erwärmung mit ihren vielfältigen Auswirkungen wird vermehrt über extreme Wetterereignisse berichtet. Mit diesem Beitrag möchten wir aufzeigen, wie sich das geänderte Klima unseren Beobachtungen zufolge auf das Wachstum des Winterweizens auswirkt und weshalb dies für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln relevant ist.
Erfolgreich mit gesunden Pflanzen
Für einen erfolgreichen Getreideanbau an ertragreichen Standorten ist die Sicherung der Pflanzengesundheit ein maßgeblicher Erfolgsfaktor. Getreu der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes werden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Bestand gesund und leistungsfähig zu halten: Neben einer sorgfältigen Sortenwahl und einer fortlaufenden Beobachtung sind gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen oft unerlässlich. Diese sind dann erforderlich, wenn das Überschreiten von etablierten Schadschwellen festgestellt wird und darüber hinaus günstige Infektionsereignisse vorherrschen. Hierbei haben sich Beratungssysteme wie xarvio Field Manager, ISIP oder Proplant gut bewährt. Entscheidend ist aber auch der Entwicklungszustand der Pflanzen: In frühen Stadien kann Befall auf niedrigen Blattetagen eher toleriert werden, da es vor allem die oberen Blätter aufgrund ihrer höheren Ertragsrelevanz zu schützen gilt. Im Falle einer frühen starken Krankheitsepidemie muss jedoch zeitnah behandelt werden, um den weiteren Verlauf zu einzudämmen. Auch eine effektive Bekämpfung von Halm-Basis-Krankheiten ist nur zu frühen Terminen möglich.
Selbst systemische Fungizide können lediglich apikal in Richtung Blattspitze verlagert werden, jedoch nicht umfänglich in den Neuzuwachs. Daher ist aufgrund der neu gebildeten Blätter spätestens nach dem Erscheinen des letzten Blattes erneut eine Überprüfung notwendig: Die wichtigen oberen Blattetagen müssen separat geschützt werden, da ein krankheitsbedingter Verlust von grüner Blattfläche sonst Ertragseinbußen von 30-50% zur Folge haben kann.
Wichtige Beobachtungstermine zu entscheidenden Entwicklungsstadien
In der Praxis haben sich daher stadienorientierte Beobachtungstermine zum Ein- bis Zweiknotenstadium (BBCH 31-32) und zum Erscheinen des Fahnenblattes (BBCH 37-39) bewährt. Ein weiterer wichtiger Termin ist nach Erscheinen der Ähre (BBCH 51-55), damit auch späte Infektionen erfasst und gegebenenfalls auch die Ähre geschützt werden kann. Falls hierbei gefährliche Toxinbildner aus der Gattung der Fusariosen bekämpft werden sollen, ist eine exakte Terminierung zu Beginn der Blüte (BBCH 61-65) für einen guten Behandlungserfolg unerlässlich.
Mildere Winter – höherer Ausgangsbefall
Der Ausgangsbefall zum Vegetationsbeginn mit Krankheiten in unseren Getreidekulturen war in den letzten Jahren deutlich erhöht. Als Pathogene treten sehr häufig Septoria, Mehltau, Roste sowie Halmbasiserkrankungen auf.
Der Ausgangsbefall aus dem Herbst überwintert in der Regel auf den grünen Pflanzenteilen. Absterbende Blätter finden sich zwar noch, aber anders als nach harten Wintern ist nicht die gesamte Pflanze vom Absterben betroffen. Zudem entwickeln sich die Pilze während des Winters bei milden Temperaturen weiter. Bereits ein leichtes Ansteigen der Temperatur im Frühjahr begünstigt dann die Ausbreitung im Bestand. Die unteren Blattetagen sind unabhängiger vom Saattermin häufig mit Septoria infiziert. Ähnlich verhält es sich mit den Erregern der Halmbasiserkrankungen. Die Befallsausbreitung findet heute auch während der milderen Winter statt, so dass der Ausgangsbefall zu Beginn der Vegetation hoch ist. Damit steigt der Infektionsdruck zu Beginn der Vegetation.
Früherer Vegetationsstart – entscheidende Entwicklungsstadien werden früher erreicht
Die benötigte Zeit für die physiologische Pflanzenentwicklung, insbesondere für das Erscheinen der einzelnen Blattetagen, wird mit dem Begriff „Phyllochrom“ beschrieben. Das Agriculture and Horticulture Development Board (AHDB) in England ist dieser Frage intensiv nachgegangen und konnte darstellen, dass bei Winterweizen die Zeitspanne von der Aussaat bis zum Auflaufen bei kühlen Temperaturen zwar deutlich verlängert ist, bei Berücksichtigung der Temperatur jedoch konstant 150 Gradtagen vorliegen. Das Erscheinen weiterer Blätter benötigt 122 Gradtagen pro Blattetage.
Somit kann man vereinfacht das Winterweizen-Wachstum mit den Durchschnittstemperaturen in Deutschland modellieren. Bei einem angenommenen fixen Aussaat-Termin Anfang Oktober wird der Einfluss wärmerer Temperaturen auf die Entwicklung des Winterweizens deutlich: Das entscheidende Ein-Knoten-Stadium wird demnach in den letzten Jahren deutlich früher erreicht, bei dem späteren Fahnenblatt-Stadium ist die Verschiebung nicht ganz so dramatisch (Abbildung 2).
Geänderter Schutzzeitraum der frühen Behandlung
Bei der Validierung dieser Modell-Erkenntnisse konnten wir von unserer reichhaltigen Versuchs-Datenbank profitieren: Die Auswertung von Boniturdaten tausender Feldversuche, die bis ins Jahr 1974 zurückgehen, bestätigte für die jüngeren Jahre ein früheres Kalenderdatum zum Ein-Knotenstadium (BBCH 31) von 2-4 Wochen, während diese Verschiebung zum Fahnenblattstadium (BBCH 39) lediglich 1-3 Wochen und bei Milchreife und Ernte kaum eine Woche betrug.
Zur Visualisierung wurden diese Ergebnisse in Abbildung 3 zusammengestellt. Es gibt kaum Änderungen bezüglich des Schutz-Zeitraumes bei der wichtigen Fahnenblattbehandlung, während bei der früheren Blattbehandlung eine Verdoppelung auf 3-5 Wochen abgeleitet werden kann.
Längere Dauerwirkung bei früher Schadschwellenüberschreitung erforderlich
Die Situation zu Beginn der Vegetation hat sich in den letzten dreißig Jahren deutlich verändert. Zum einen ist durch den früheren Vegetationsstart der Termin der ersten Schadschwellenüberschreitung um bis zu drei Wochen früher als vor dreißig Jahren. Zum anderen haben sich nicht nur die Pflanzen im milden Winter weiterentwickelt, sondern auch die Krankheitserreger. Der nun frühere Behandlungsstart führt dazu, dass oft die Dauerwirkung der früh eingesetzten Produkte unter den geänderten Bedingungen nicht mehr ausreicht, um einen zuverlässigen Schutz bis zur meist notwendigen Anschlussspritzung zu gewährleisten, welche dann einer stärkeren Kurativsituation ausgesetzt ist. Damit kommen bisherige Strategien an ihre Grenzen, der schleichende Wirkungsverlust bei älteren Azolfungiziden sorgt für ein zusätzliches Problemfeld.
Da zusätzliche Fungizidanwendungen unter dem Gesichtspunkt des integrierten Pflanzenschutzes zu vermeiden sind, und die Kurativleistung der Fahnenblattbehandlung nicht überstrapaziert werden sollte, ergibt sich der Wunsch nach einer verlängerten Wirkungsdauer für die frühe Anwendung. Auf den britischen Inseln, wo das Problem aufgrund des milderen Klimas schon länger besteht, wird dies durch den Einsatz von SDHI-Präparaten erreicht. Diese sind jedoch für die Anschlussbehandlung aufgrund ihrer bewährten Dauerleistung unersetzbar und sollten aus Resistenz-Management-Gründen nur einmal pro Saison eingesetzt werden.
Längere Dauerwirkung durch kombinierte Wirkmechanismen
Moderne Kombinationsfungizide (z.B. Balaya ®) können hier eine sinnvolle Lösung bieten: Mit der Kombination des wirkungsstarken Azol-Fungizids Revysol ® mit dem bewährten Strobilurin-Präparat F 500® kann eine längere Wirkungsdauer erreicht werden. Interessanterweise gilt dies auch für Pathogene wie Septoria, obwohl hier flächendeckend hohe Resistenzgrade gegenüber Strobilurin-Fungiziden nachgewiesen wurden. Dies kann durch die Restwirkung von F 500® auf die Keimschlauchentwicklung von Septoria erklärt werden, wodurch auch in jüngeren Jahren eine Zusatz-Leistung bei vorbeugendem Einsatz ermöglicht wurde (Abbildung 4).
Die längere Wirkungsdauer von Balaya ® im Vergleich zur reinen Azolvariante konnte in zahlreichen Versuchen belegt werden, insbesondere für Septoria und Gelbrost. Auffällig sind jedoch die absoluten Unterschiede in der beobachteten Wirkungsdauer zwischen beiden Krankheiten, wie die Abbildung 5 zeigt. Für die Bewertung der tatsächlichen Wirkungsdauer muss jedoch die Latenzzeit des Erregers berücksichtigt werden, welche für Gelbrost wesentlich kürzer als für Septoria ist. Zieht man diese von der beobachteten Wirkungsdauer ab, erhält man die tatsächliche Wirkungsdauer – wobei für beide Pathogene ein fast identischer Wert ermittelt werden kann: Balaya ® liegt hier mit etwa 4 Wochen deutlich vor der reinen Azol-Variante, welche lediglich zweieinhalb Wochen bis zu einer neuen Infektion effektiven Schutz bietet.
Fazit
Die durch den Klimawandel bedingte vorgezogene Entwicklung des Winterweizens im Frühjahr bei nur moderater Anpassung zu späteren Entwicklungsstadien führt zu einem längeren Schutz-Zeitraum der frühen Blattbehandlung. Durch die ergänzende Wirkung von F 500® in Kombination mit Revysol ® kann mit neuen Fungizidkombinationen (z.B. Balaya ®) die notwendige längere Dauerwirkung erreicht werden.
Dadurch kann eine sonst notwendige zusätzliche Behandlung entfallen, und zu starke Kurativ-Bedingungen bei Folge-Anwendungen können vermieden werden.